Das Mikrobiom und stille Entzündungen

Akute Entzündungen sind biologisch sinnvolle Reaktionen auf krankmachende Einflüsse. Sinn und Zweck ist es, diese Einflüsse zu eliminieren. Sie können aber auch chronifizieren und als ‚stille Entzündungen‘, sogenannte silent inflammations, ablaufen und dann sind sie alles andere als biologisch sinnvoll. Im Gegenteil können sie zu Degenerationen und Entartungen führen.

Das Thema stille Entzündungen ist gerade in Fachkreisen sehr populär und viele Erkrankungen werden damit in Verbindung gebracht, wie z.B. das metabolische Syndrom, Autoimmunerkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen, um nur einige zu nennen.

Wie kann es dazu kommen? Um einer Antwort näher zu kommen müssen wir uns mit dem Darm, besser mit dem Mikrobiom, der Bakterienvielfalt auf unserer Darmschleimhaut, näher befassen.

Vorausgeschickt sei gleich, dass es sich auch in dem Fall der stillen Entzündungen nicht um ein monokausales Geschehen handelt. Insbesondere die oben erwähnten Krankheiten können gleich mehrere Ursachen haben.

Doch speilt der Darm dabei eine wichtige Rolle. Und das möchte ich hier kurz darlegen. In der Naturheilkunde hieß es schon immer: Der Tod sitzt im Darm … und nun bringt die evidenzbasierte Medizin immer mehr Beweise dafür.

Der Darm ist auf Grund seiner großen Kontaktfläche besonders gefährdet, sich mit entzündungsauslösenden Substanzen zu beschäftigen, schließlich hat er Kontakt zur Aussenwelt. Und im Grunde ist er auch ganz gut geschützt. Ohne näher auf die anatomischen Einzelheiten eingehen zu wollen ist eine der Schutzbarrieren die Besiedlung der Darmschleimhaut mit Mikroorganismen.

Sie bilden, wenn das Mikrobiom gesund zusammensetzt ist, eine Kolonisationsresistenz gegen krankmachende Keime und schützen so vor Entzündungen. Darüber hinaus bilden sie kurzzeitige Fettsäuren (u.a. Butyrat), die nicht nur Energie für die Darmschleimhautzellen liefern, sie wirken auch antientzündlich. Und die Bakterien kommunizieren mit den Zellen des Immunsystems, die unter der Schleimhaut liegen.

Das funktioniert auch alles ganz gut, solange die Zusammensetzung des MIkrobioms stimmt. Kommt es hier zu einer Dysbiose, können entzündliche Prozesse im Darm überhand nehmen und die Schleimhaut schädigen. Diese Schädigung kann so weit gehen, dass kleine Löcher entstehen und der Zusammenhalt der Darmschleimhautzellen nicht mehr gewährleistet ist. Es entsteht das sogenannte ‚leaky gut‘ Syndrom.

Und jetzt können Bakterien, auch die guten, und andere entzündungsauslösende Substanzen aus dem Darm direkt ins Gewebe und dort zu chronischen Entzündungsreizen führen. Eine Ernährung, mit zuviel raffinierten Kohlehydraten, zu viel Fleisch, Alkohol, Koffein etc. trägt dazu bei, das der Darm entzündlich reagiert.

Also sollten wir auf der einen Seite unser Augenmerk auf die Gesunderhaltung unseres Darmmilieus legen in Form von Prä- und Probiotika und auf der anderen Seite unser Ernährungsverhalten so weit anpassen, dass wir die Darmschleimhaut nicht noch zusätzlich schädigen. In diesem Zusammenhang spielen z.B. die Omega-3 Fettsäuren mit ihren antientzündlichen Eigenschaften eine wichtige Rolle. 

Eine ballaststoffreiche Ernährung ist die beste Pflege für das Mikrobiom und der positive Einfluss auf chronische Erkrankungen ist bewiesen.

Glykokalyx – Schutz, Barriere und Heimat für Mikroorganismen

Die Glykokalyx ist eine Schicht an der Aussenfläche von Zellmembranen. Sie besteht aus Mehrfachzuckern, die fest mit den Membranproteinen und -lipiden verbunden ist.

Sie dient bei Einzellern als Schutz vor Austrocknung, vor gefressen werden und ist ein Pathogenitätsfaktor. Beim Menschen finden wir sie vor allem an der Innenseite der Gefäßwände und in der Darmschleimhaut. An den Gefäßwänden hindert sie z.B. den Austritt von Flüssigkeit ins Gewebe.

Interessant für diesen Artikel ist die Glykokalyx der Darmschleimhaut. Sie liegt wie eine Schutzschicht den (Dünn-)Darmschleimhautzellen auf und besteht im Grunde genommen aus einer mehr oder weniger keimarmen inneren, der Darmwand aufliegenden und eine äußern, dem Darmlumen zugewandter Schicht. In dieser letzteren finden sich eine Vielzahl von Bakterien, die das Mikrobiom des Darmes ausmachen. In manchen Zusammenhängen wird diese Schicht auch ‚Biofilm‘ genannt.

Der Tod sitzt im Darm

Die Zusammensetzung des Mikrofilms ist in großem Maße abhängig von Ernährung, Genussgiften wie Nikotin und Alkohol, Stress sowie Medikamenten. All diese eben genannten Faktoren können das Gleichgewicht des Mikrobiom empfindlich schädigen, so dass die Zusammensetzung pathologisch wirken kann. Der Zusammenhang zwischen einem gestörten Mikrobiom und (neurodegenerativer) Erkrankungen ist seit langem bekannt.

Wenn sich nun diese innere Schicht der Glykokalyx ausdünnt kommen mehr und mehr Bakterien an die Schleimhautzellen heran und bekommen Kontakt zu Immunzellen, die direkt unterhalb der Darmschleithautzellen liegen. Hier sei noch angemerkt, dass die Darmwand lediglich aus einer Zelllage besteht und dementsprechend sensibel ist.

Stille Entzündungen

Diese Immunzellen werden durch die Bakterien getriggert und es entstehen Entzündungen, die auf die Darmwand übergreifen können aber auch andere Organe erreichen können. Zum allergrößten Teil sind es sogenannte stille Entzündungen, auch ‚silent immflammations‘, die Ursache für eine Vielzahl von Erkrankungen sein können. Beispielhaft seien hier genannt Mb. Alzheimer, Mb. Parkinson, Kopfschmerzen, Migräne, Herzinfarkt, KHK, rheumatische Erkrankungen, Fettleber, Insulinresistenz, Fettstoffwechselstörungen, Autoimmunerrankungen, Carcinome u.s.w.

Wir finden sozusagen eine Ursache und viele Symptome. Für die stillen Entzündungen gibt es mehrere Gründe, einer davon ist die gestörte Glykokalyx. Ein Schutzfaktor für die Glykokalyx sind kurzzeitige Fettsäuren. Diese kurzzeitigen Fettsäuren werden z.B. von Bakterien gebildet, wenn sie genug Ballaststoffe bekommen, aber auch von Omega-3, (die zu dem noch antientzündlich wirkt) einer mehrfach ungesättigten essentiellen Fettsäure.

Omega-3 und Ballaststoffe 

Hier finden wir zwei Ernährungsansätze, um den Phänomen ‚silent inflammation‘ zu begegnen.  Berücksichtigt wir jetzt noch die Unterversorgung der deutschen Bevölkerung mit Omega-3 (im Durchschnitt beträgt der Omega-3 Index 4-6%, wünschenswert wäre mehr als 8%) und dass die Deutschen laut Nationaler Verzehrstudie II die von der DGE empfohlene Mindestzufuhr von 30g Ballaststoffe pro Tg mehrheitlich nicht erreichen wundert es wenig, wenn wir mittlerweile so vielen Stoffwechselkrankheiten begegnen.

An dieser Stelle sei eine kritische Anmerkung zu den im Augenblick vielfältig im Internet angepriesenen ‚Darmreinigungen‘ gestattet, die mit verschiedenen Methoden den’Biofilm’ herausbringen wollen und somit eine Reinigung der Darmschleimhaut zu vollziehen. Meines Wissens ist es noch völlig ungeklärt, was eine derartige Reinigung mit der schützenden Glykokalyx macht und evtuell sogar die schützende Schicht von den Darmschleimhautzellen mit entfernt, so dass diese schutzlos den verbliebenen Mikroorganismen ausgeliefert sind.

Was tun? Wie immer ist es ganz einfach. Iss frische, naturbelassene Lebensmittel, am besten aus biologisch-dynamischen Anbau, nutze gute natürliche Fette, reduziere die (vor allem) raffinierten Kohlenhydrate. Meide Fleisch und tierische Produkte von Tieren aus Massentierhaltung (abgesehen vom ethischen Standpunkt sind dieses Fleisch und deren Produkte wie Milch und Butter von der Zusammensetzung der Fettsäuren schlecht), versorge Dich ausreichend mit Mikronährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen, nötigenfalls mit sinnvoller Nahrungsergänzung.

Mehr zu diesem Thema erfährt Du am 29. Mai von 10-15h in einem online Seminar zum Thema Darm-Hirn-Achse. 

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