Zeckenstich ist kein Grund zur Panik

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Foto - André Karwath aka Aka

Die meisten Zeckenstiche sind harmlos

Regelmäßig im Frühling geraten Zecken in die Schlagzeilen. Dabei werden oft Ängste geschürt, ohne dass Menschen informiert werden, wie groß die Gefahren durch Zeckenstiche eigentlich sind. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat heute auf Gesundheitsinformation.de umfangreiche Informationen veröffentlicht, die bei der Abschätzung des Risikos helfen sollen. „Anstatt diffuse Angst zu erzeugen, halten wir es für wichtiger, Fragen so konkret wie möglich zu beantworten“, sagt Andreas Waltering, stellvertretender Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation beim IQWiG. „Dann kann jeder selbst entscheiden, wie er mit den Risiken umgehen will.“

Wie häufig übertragen Zecken Krankheiten?

Dass Zecken Krankheiten übertragen können, ist eine Tatsache. Im Vordergrund stehen Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Doch anders als viele Menschen denken, haben die meisten Zeckenstiche keine Folgen. Geschätzt wird, dass in Deutschland von 100 Personen, die von einer Zecke gestochen werden, eine an Borreliose erkrankt. In den sieben Bundesländern, in denen eine Meldepflicht für Borreliose besteht, wurden für das Jahr 2011 knapp 8000 Erkrankungen registriert. FSME ist deutlich seltener: In ganz Deutschland wurden 2011 etwas über 400 erkrankte Personen gemeldet – die meisten davon in Bayern und Baden-Württemberg. In vielen Gebieten Deutschlands tritt FSME gar nicht auf.

Was sind die gesundheitlichen Konsequenzen?

Der Zeckenstich selbst ist keine Gefahr. „Unmittelbar nach einem Zeckenstich bildet sich manchmal eine kleine juckende Rötung. Das ist normal und hat nichts mit einer Krankheit zu tun“, erklärt Waltering. Wenn sich hingegen einige Tage oder Wochen nach einem Stich ein roter Hautfleck an der Einstichstelle zeigt und ausbreitet, kann dies auf eine Borreliose hindeuten. „Dann ist es wichtig, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen“, so Waltering.

Eine Borreliose kann sich aber auch innerhalb von sechs Wochen nach einem Zeckenstich durch grippeähnliche Beschwerden wie Fieber und Abgeschlagenheit bemerkbar machen. Wenn eine Borreliose erkannt und konsequent mit Antibiotika behandelt wird, heilt sie in fast allen Fällen folgenlos aus.

Eine FSME äußert sich ebenfalls durch grippeähnliche Beschwerden, tritt allerdings schon innerhalb von zwei Wochen nach einem Zeckenstich auf. Bei etwa 70 von 100 infizierten Menschen bleibt es bei leichten Beschwerden wie Fieber und Erbrechen. Bei den übrigen kann es zu einer Entzündung des Gehirns oder der Hirnhäute mit vorübergehenden Lähmungen kommen. Bleibende Folgen sind bei Kindern sehr viel seltener als bei Erwachsenen, verlässliche Zahlen existieren aber nicht. Auch die Zahl der Todesfälle durch FSME ist nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass von 100 Personen, bei denen es zu einer Gehirnentzündung kommt, eine stirbt. Bei einer FSME wirken Antibiotika nicht, man kann nur die Beschwerden behandeln.

Wie kann man sich schützen?

„Die einfachste Methode, das Risiko für Borreliose und FSME zu verringern, ist es, den Körper nach einem Aufenthalt im Freien nach Zecken abzusuchen“, sagt Waltering. Denn Zecken stechen meist nicht sofort, sondern krabbeln manchmal mehrere Stunden am Körper umher. Auch nach einem Stich kann man sich vor Borreliose schützen, indem man die Zecke innerhalb der ersten Stunden entfernt. Meist dauert es viele Stunden, bis die Erreger aus der Zecke ins Blut gelangen. Gegen FSME wird eine Impfung angeboten, deren Kosten in sogenannten Risikogebieten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Die IQWiG-Website Gesundheitsinformation.de informiert allgemeinverständlich und aktuell über wichtige gesundheitliche Fragen. Wer über die Veröffentlichungen auf dem Laufenden bleiben möchte, kann den Gesundheitsinformation.de-Newsletter abonnieren.

Kontakt: Tel 0221 35685-0, info@iqwig.de

Borreliose – die verleugnete Krankheit

Foto: CDC

Von Ute Fischer

In Deutschland herrscht Borreliose-Krieg. Ärzte gegen Ärzte. Eine Hand voll Neurologen versucht das Meinungsbild der Borreliose zu beherrschen. Mit einer zweifelhaften Leitlinie, deren Quelle in den USA vom Staatsanwalt als korrumpiert entlarvt wurde, versuchen sie die Existenz einer Chronischen Borreliose zu leugnen. Mit gegenseitig zugeschusterten Gutachten täuschen sie Gerichte und fegen Patientenansprüche vom Tisch. Es geht um Geld. Um viel Geld. Gewinner ist die gesamte Versicherungswirtschaft einschließlich Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, gesetzliche und private Unfallversicherungen, die Rentenversicherung. Denn ohne Chronische Borreliose können Leistungen und Renten verweigert werden. Die Patienten landen bei Hartz IV oder in der Frührente.

Gewinner ist auch die Pharmaindustrie. Zwar interessiert sie sich kaum für Borreliose, denn die Patente der indizierten Antibiotika sind ausgelaufen. Generika bringen wenig Rendite. Hingegen ist mit den Fehldiagnosen der Borreliose – Multiple Sklerose, Fibromyalgie, Depression – tüchtig Geld zu verdienen. Obendrein handelt es sich um Indikationen, die im Gesundheitsfonds als schwerwiegend chronisch eingestuft sind, wofür die Krankenkassen zusätzliche Mittel vom Bund verlangen können. Zusätzlich sorgen Landes- und Bundespolitik mit inkompetenter Berichterstattung für noch mehr Irritationen. Jedes Jahr töten sich Borreliose-Patienten, weil sie entweder die Schmerzen nicht aushalten oder das Stigma, sie würden sich ihre Beschwerden im Internet anlesen.

Offiziell scheint der Ablauf einer Borreliose von der Diagnostik zur Therapie und Nachsorge in geregelten Bahnen zu verlaufen, behaupten die Funktionäre der Ärztlichen Selbstverwaltung. Jeder Hausarzt könne eine Borreliose diagnostizieren und therapieren. In der Telefonberatung der Patientenorganisation Borreliose und FSME Bundes Deutschland e.V. (BFBD) hört sich das ganz anders an. Etwa 90 Prozent der jährlich 3.000 Ratsuchenden aus ganz Deutschland fragen – oft im Auftrag ihres Hausarztes – nach einem Spezialisten.
Doch vergeblich sucht man in den Arztsuchportalen der Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen nach einem Borreliose-Arzt für Kassenpatienten. Als Privatpatient hat man bessere Karten, wenn man bereits ist, ein paar hundert Kilometer zu fahren und selbst zu zahlen.

Ärzte unterliegen zwar der Fortbildungspflicht. Doch niemand kontrolliert, ob sie ihr Wissen auf breiter Basis vervollkommnen. Die Infektiologie ist ein Stiefkind, das sich auf Aids und Hepatitis konzentriert. Das Nationale Referenzzentrum Borrelien (NRZ) verbreitet die Parole, dass sich die meisten Patienten ihre Beschwerden im Internet anlesen und erfand die unheilbare „Internet-Borreliose“. Stets mit einem breiten Lächeln setzt der Münchner Neurologe Hans-Walter Pfister mit der „Borrelioseneurose“ noch eins drauf. Alles eingebildet. Ab zum Psychiater.

Bei der Borreliose läuft vieles schief. Schon die Infektion selbst zeigt sich bei jedem Patienten anders. Nur etwa die Hälfte aller Erkrankten bildet eine Wanderröte,  topsicheres Zeichen für eine stattgefundene Infektion. Eine Laborbestätigung ist nicht notwendig. Denn Antikörper entwickeln sich erst vier bis sechs Wochen nach Infektion. Sofortige Therapie, ausreichend hoch dosiert und ausreichend lange, verspricht vollkommene Heilung. Doch diese Chance wird häufig vertan, weil sich der Arzt auf Laborergebnisse verlässt. Mehr als 50 Millionen Euro kosten diese überflüssigen Blutuntersuchungen, die mangels Standardisierung einer Lotterie gleichkommen. (Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung)

NRZ-Leiter Volker Fingerle erklärte schon vor Jahren, dass die meisten der etwa 30 ELISA-Antikörper-Suchtests „miserabel“ seien. Er ist aber nicht bereit, die Tests zu nennen, die sein Institut für zuverlässig getestet habe. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen, so Fingerle. Die Kassenärztlichen Vereinigungen, verschärfen die Situation dadurch, dass sie ihre Kollegen anweisen, keine weiteren Laboruntersuchungen anzustellen, wenn der ELISA negativ sei.  Das
bedeutet für viele Borreliosepatienten die Endstation für eine mögliche Heilung. Ihre Beschwerden werden mit Verlegenheitsdiagnosen abgetan. Es wird viel herumoperiert: am Carpaltunnel, an den Schleimbeuteln in Schulter und Knie, an der Bandscheibe. Und am Ende sind sie chronisch krank.

Borreliose ist eine bakterielle Infektion, die durch Zecken übertragen wird. Nach Fallzahlen der Techniker Krankenkasse infizierten sich 2009 nahezu 800.000 Versicherte mit Borrelien.Die Dunkelziffer ist hoch, denn nur etwa die Hälfte der Infizierten reagiert mit einer Wanderröte. Die Symptome sind vielfältig von grippeartigen Kopf-, Muskel- und Nervenschmerzen über Gelenkentzündungen am ganzen Körper bis zu Lähmungen, psychiatrischen Aussetzern, demenzähnlichen Zuständen  und Persönlichkeitsveränderungen.  Angeblich heilen etwa 90 Prozent der Neuinfektionen im Frühstadium aus, bleiben also zehn Prozent, die in einem chronischen Stadium landen und häufig von ihrem Arzt als austherapiert bezeichnet werden.  Die Ärzteorganisation Deutsche Borreliose-Gesellschaft e.V. rechnet, dass sich wenigstens eine Million Deutsche mit den Folgen einer Borreliose auseinander zu setzen hat. Alle alten Bundesländer, wehren sich gegen eine Meldepflicht, obwohl eine EU-Richtlinie bereits 1998 die jährliche Meldung der Borreliosefälle verlangt. Die vermeintlich aktuellen Zahlen des Robert Koch-Instituts von 40.000 bis 80.000 jährlichen Fällen sind 17 Jahre alt.

Die Autorin ist Wissenschaftsjournalistin und auf Borreliose spezialisierte Buchautorin. Als Vorsitzende des Borreliose und FSME Bundes Deutschland  e.V. hält sie Kontakt zu mehr als 100 Borreliose-Selbsthilfegruppen in Deutschland und erfährt das Elend der nicht ernst genommenen Borreliosepatienten täglich hautnah.

www.borreliose-bund.de, www.borreliose-gesellschaft.de, www.borrelioseforum.de